Das Biegen von harten Hölzern mithilfe von Dampf ist eine Spezialität der Möbelmanufaktur Horgenglarus. Das bald 150 Jahre alte Unternehmen ist bekannt für seine schlichten, ausdrucksstarken Stühle und Tische. Bei einem Besuch im Werk werden alle Sinne geweckt.
Es gibt Leute, die im Restaurant, noch bevor sie sich setzen, den Stuhl hochheben, ihn umdrehen und unter die Sitzfläche schauen. An dieser Geste erkennt man die ganz grossen Fans von Horgenglarus, der Schweizer Tisch- und Stuhlmanufaktur mit einer bald 150-jährigen Tradition. Horgenglarus-Stühle stehen in unzähligen Schweizer Gaststätten und privaten Wohnräumen, aber auch in New York, Köln, Marrakesch oder Reykjavik. Die Referenzen sind beeindruckend. Die Liste der Designer und Architekten, mit denen Horgenglarus arbeitet, ebenfalls. Sie reicht von Hannes Wettstein, Max Ernst Haefeli und Max Bill bis zu Trix und Robert Haussmann.
Unter der Sitzfläche der Stühle befindet sich die Prägung im Holz, an der die Horgenglarus-Produkte eindeutig erkennbar sind. Horgenglarus ist, obschon die Stühle mittlerweile in aller Welt zu finden sind, eine im besten Sinn bodenständige Firma geblieben. Der Hauptsitz mit der Produktion befindet sich heute in Glarus. 1902 hatte das Unternehmen aus Horgen hier einen Werkstandort eröffnet. Gegründet worden war die «Möbeli», wie sie von älteren Semestern noch heute genannt wird, 1880 als Handwerksbetrieb am Zürichsee.
Reminiszenz an die Vergangenheit
Wer Gelegenheit hat, die nach eigenen Angaben älteste Tisch- und Stuhlmanufaktur der Schweiz zu besichtigen, sollte sie wahrnehmen. Noch bis 2027 bleibt das Unternehmen am angestammten Ort in Glarus, dann zieht es etwas weiter südwärts in Richtung Klausenpass, nach Hätzingen. Auch dort wird Horgenglarus wie jetzt wieder in Gebäuden eingemietet sein, die von Unternehmern aus der Textilindustrie erbaut wurden. Die Textilindustrie hatte dank der natürlichen Ressource der Wasserkraft im Kanton Glarus über Jahrhunderte einen wichtigen wirtschaftlichen Stellenwert.
Der Charme der Vergangenheit ist heute noch überall in den Werk- und Büroräumlichkeiten der Stuhl- und Möbelmanufaktur spürbar, auch wenn die Gebäude innen wie aussen sehr viel Patina angesetzt haben. Allein der Aufgang zum historischen Empfangsschalter auf der Teppichetage, die sich tatsächlich durch den entsprechenden Bodenbelag abhebt, ist imposant. Im Sitzungszimmer stehen selbstverständlich ein Horgenglarus-Tisch und -Stühle. Den höhenverstellbaren «ess.tee.tisch» hatte der Designer Jürg Bally 1951 entworfen, bevor er nach New York auswanderte, um dort zu arbeiten. Der Prototyp des Tisches war ein Geschenk an seine zukünftige Ehefrau Ica Bally, die damals in einem möblierten Zimmer wohnte, in dem noch ein Tisch fehlte.
Jedes Jahr etwas Neues
Geschichten wie diese ranken sich um alle Produkte von Horgenglarus, wobei das Unternehmen früher ein noch viel breiteres Sortiment besass. Auch Wäsche- oder Garderobenständer wurden im 20. Jahrhundert hergestellt, wie ein Blick ins gut erhaltene Katalogarchiv beweist. Heute konzentriert sich die Manufaktur auf die Produktion verschiedener Kollektionen von Stühlen, Barhockern und Tischen, wobei Innovationen nicht zu kurz kommen. Ungefähr jedes Jahr soll künftig eine neue «Familie» von Stühlen und Tischen oder eine Weiterentwicklung dazukommen, erklärt Rafael Mersmann, Produktions- und Entwicklungsleiter, bei einem Rundgang.
Der Gang durch die Produktion ist ein sinnliches Erlebnis. Je nach Standort riecht es unterschiedlich intensiv nach Holz, die Lichtverhältnisse und die Temperaturunterschiede variieren beträchtlich. An einem Arbeitsplatz ist es recht still, an einem anderen ist es so laut, dass die Arbeiter einen Gehörschutz brauchen. Hier fliegen die Späne, dort wirbelt der Holzstaub durch die Luft. Rund 45 Mitarbeitende beschäftigt die Firma heute. Viele von ihnen sind seit Jahren hier angestellt und wohnen in der Umgebung der «Möbeli». Etwa zwei Drittel sind in der Produktion beschäftigt.
Die «Filetstücke» des Holzes
«Die Lieferzeit für die Möbelstücke, die hier entstehen, beträgt im Schnitt etwa sechs bis acht Wochen», sagt Produktionsleiter Rafael Mersmann. Das mag auf den ersten Blick viel sein, doch wenn man bedenkt, dass jeder Tisch und jeder Stuhl erst nach der Bestellung beim Fachhandel fabriziert wird, relativiert sich der Eindruck. Und schaut man den Mitarbeitenden eine Zeitlang bei der Arbeit zu, so wird klar, dass es sich um ein anspruchsvolles Handwerk handelt.
Die komplette Reportage gibt es in der Ausgabe 2/25 vom Magazin HÄUSER MODERNISIEREN zu lesen.
Text: Rebekka Haefeli, Fotos: Gaëtan Bally
aus dem Magazin: Häuser modernisieren, Zeitschrift Nr. 2/2025